Andere über mich Pressestimmen, Kritiken - zu Remas Haus |
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Daniela Fürst in Buchkultur Nr. 105, Wien, Juni 2006: "Die Briefe, die ich ihnen schreibe, sind die
einzige Verbindung nach draußen." Es sind
die Briefe eines namenlosen Protagonisten, der aus
seinem selbst gewählten letzten Zimmer heraus
Zeugnis ablegen will über die Stadt seiner Kindheit,
seine Flucht daraus, das Leben seiner Mutter und seine
Liebe zu Rema. Langsam und behutsam, um nur ja die
Gunst der/des Lesenden nicht zu verlieren, erzählt
er von seinem Leben, das ihn zu dem gemacht hat, was
er jetzt ist und ihn so für Rema vorbereitet,
zugeschnitten oder sogar vorbestimmt hat. "Mein
Zimmer hier hat ein einziges Fenster, und das entschädigt
mich für alles. Ich sehe, was ich sehen muss:
Remas Haus." |
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Olaf Velte in Am Erker Nr. 49, Münster, Juni 2005, auch online zu lesen Mit dem ersten Satz beginnen.
"Wie notwendig es ist, hier zu sein." Ein merkwürdiger
und großartiger Satz, einer, der schon ein Geheimnis
verspricht und die Tür
öffnet. (...) Die Außenwelt sind wir, die Leser.
Ausgehändigt bekommen wir die Schriftstücke von
verluderten Schlampen, die den Dichter für diese Dienste
büßen lassen: Auf ihr Geheiß müssen
die Briefe verändert werden, die
Übermittler wollen geleckt und befriedigt werden. (Wer
denkt da nicht an das würdelose Gebaren des herrschenden
Literaturbetriebs?) (...) Das Haus besteht aus Gesinde- und
Herrenhaus sowie dem Stalltrakt - "der Hof selbst ist
die Dreifaltigkeit". Hier soll Rema wohnen. Alles scheint
aufgeweicht von dem nie versiegenden Milchfluss, der in der
Milchküche verarbeitet wird. Ein Milchkoch ist unablässig
mit dem Kampf gegen die Unreinheit beschäftigt. |
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Lothar Glauch unter satt.org, April 2005, dort auch komplett online zu lesen Der Surrealismus lebt, zumindest in Silke Andrea Schuemmers Roman Remas Haus. Die Berliner Autorin zeichnet eine ebenso sinnliche wie apokalyptische Welt, in der poetische Absurditäten die Regel sind. (...) Die Geschichte, die in Remas Haus erzählt wird, ist ihrer Narration nach wenig romanhaft. Schuemmer bevorzugt das Assoziationsgeflecht, ihre Prosa erinnert an die Werke von Herta Müller, Elfriede Jelinek oder Marion Poschmann: Die Handlung tritt hinter das Behandelte zurück, das Wie ist entscheidender als das Was. Schuemmer zeichnet gewaltige Bilder, bringt Träume und Phantasmagorien zum Blühen. (...) Und mit Hilfe postmoderner Finten in der Narration gelingt es ihr immer wieder, die Erwartungshaltung des Lesers zu durchbrechen und neue Horizonte zu öffnen. So entsteht ein eigenwilliger Wortparcours, in dem der Leser sich ständig neue Wege suchen muss, um an sein Ziel zu gelangen. Bereits der Eingang in dieses Textlabyrinth ist furios: "Damit Sie mich richtig verstehen: Nicht nur die Möbel aus den unteren Stockwerken habe ich verbrannt, sondern den gesamten unteren Teil des Hauses. Außer einer morschen Stiege, die mich nicht mehr trägt, weil mein Kopf täglich schwerer zwischen die Schultern sinkt, ist nichts mehr übrig von dem Fundament, den Mauern oder Fluren. Es gibt nur noch mein Zimmer mit dem Fenster und eine halb verrottete, halb verbrannte Treppe." Der Ich-Erzähler lebt in seiner Ruine wie auf Abruf, hängt irgendwo zwischen Himmel und Erde. (...) Einzig die leichtgewichtigen Straßenmädchen ("leichte Mädchen" im wahrsten Wortsinn!) trauen sich die morsche Stiege hinauf und leisten dem Vereinsamten Gesellschaft. Sie sind es auch, die seine Briefe mitnehmen. Und diese Briefe nun richten sich direkt an den Leser. Er skizzierte seine Stadt derart grotesk, dass man in ihr eine Parabel für die ganze Welt ausmachen kann: Eine Welt, deren Zerstörung schon vor längerer Zeit stattgefunden hat, eine Welt, in der sich das Chaos längst als neues Ordnungssystem etabliert hat. Aber Schuemmer vermeidet es, Trübsal zu blasen. Ihr Ich-Erzähler gibt sich im Gestus wunderbar lakonisch oder verschmitzt. Die Welt als ein unbegreifbares, nachzivilisatorisches Ruinenlabyrinth zu skizzieren, gewinnt an Attraktivität. (...) Die Briefe des Erzähler-Ichs richten sich direkt an den Leser. So wird der Leser mit ins Geschehen einbezogen, es werden ihm ständig neue Intimitäten offenbart. (...) Schuemmer tut gut daran, sich auf die Eleganz ihrer Sprache zu konzentrieren, denn gerade in der Wortfindung beweist sie ihre Virtuosität. Remas Haus ist eine stilistische Augenweide. Die surrealistische Traumhaftigkeit und Weltferne wird durch die leuchtende Schönheit ihrer Wendungen zum Blühen gebracht. Silke Andrea Schuemmers Buch ist wie gemacht für opulente Tagträumereien. |
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Frank Schorneck über Remas Haus in Macondo Nr. 12, Bochum, Dezember 2004, auch unter titel-forum.de: (...) Wie ein Fiebertraum überwältigt
die elementare Kraft von Schuemmers Sprache den Leser,
reißt ihn in einen Strudel des Phantastischen.
Der Ich-Erzähler hat sich im oberen Stockwerk
eines Hauses eingenistet, die unteren, verlassenen
Etagen in Brand gesetzt, bis nur noch eine halb verrotete,
halb verbrannte Treppe zu seinem Zimmer führt.
Ihn selbst trägt diese Treppe nicht mehr, verlassen
will er das Zimmer nicht. Einzig das Fenster ist ihm
wichtig, ein Fenster, das ihm den Blick gewährt
auf Remas Haus. In Briefen an einen unbekannten Adressaten,
mit deren Übermittlung er ausgehungerte - im doppelten
Wortsinn leichte - Mädchen betraut, erzählt
er von seiner zwanghaften Liebe zu Rema. Seine eigene
Lebensgeschichte enthüllt er dabei in bizarren
Puzzlestücken. Da sind die Episoden seiner Lehrzeit
bei einer heiligen Korbflechterin, deren vollkommenste
Körbe keinerlei praktischen Sinn mehr erfüllen.
Da ist die Geschichte seiner Mutter, die mit geschriebenen
Worten Schmerzen und Wunden zu heilen vermochte. Da
ist selbstverständlich auch die Episode mit dem
sprach-losen Zwillingspaar. Und da ist immer wieder
Rema, das Ziel seines ungezügelten Verlangens. |
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Das Magazin BÜCHER wählte in Nr. 1/2005 das Cover von Remas Haus zum "schönsten Cover" und schrieb dazu: Silke Andrea Schuemmer zieht den Leser mit starken Bildern in die Geschichte eines Besessenen. Die Logik seiner Geschichte beschreibt dieses Cover. (...) Die Gestaltung macht uns vertraut mit einem schwierigen, aber gewaltigen Buch. Seine Geschichte begreift nur, wer sich auf die Logik des besessen liebenden Erzählers einlässt, seine starken Bilder wirken lässt, ohne gleich alles wissen zu wollen. (...) ertasten und entdecken müssen Sie es selbst, dieses Labyrinth einer wirklich durchdachten Arbeit. |
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Konsens. Information des Deutschen Akademikerinnenbundes e.V. Heft 3, 2004. Christa Mahrad: Bericht über die junge Schriftstellerin Dr. Andrea Schümmer, die Mitglied der Gruppe Berlin ist, und ihren Roman Remas Haus. Die Autorin siedelt ihren Roman selbst sprachlich zwischen Lyrik und Prosa an. Remas Haus erklärt sie als eine sprachliche Trepanation, "ein Blick in den Kopf eines Schreibenden". Wie in verschiedenen anderen Erzählungen und Essays der Autorin spielen Familienbeziehungen in dem Roman eine Rolle, die bizarr und eigenwillig beschrieben werden. |
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Klenkes, Aachen, 1/1997: "Rückblick 96: Literarisches aus dem letzten Jahr" Aber dann das eine, das ganz besondere, das es eigentlich noch gar nicht gibt, das aber trotzdem, schon in Aachen gelesen wurde, im Sommer bei den Lousberg-Lesungen: "Remas Haus". Eine eigentümliche Geschichte, "wahnsinnig spannend, obwohl nichts passiert", war der Kommentar einer Zuhörerin, als Silke Andrea Schuemmer ihren noch unveröffentlichten Roman am Lousberg vorstellte. Und das trifft die Sache, wenn auch nicht ganz, denn natürlich passiert etwas, mindestens ein Mord. Dabei ist "Remas Haus" alles andere als ein Krimi, eher ein Labyrinth, ein Spiegelkabinett, das scheinbar Reales mit Irrealem vermischt, verzerrt, verwandelt und das den Leser darin gefangennimmt und so schnell nicht wieder losläßt. So jedenfalls ist es mir ergangen, als ich zum ersten Mal das Manuskript in den Händen hatte. Nach gerademal anderthalb gelesenen Seiten spürte ich bereits dieses Ziehen, das einen in Sternstunden des Lesens packt, da war ich bereits auf dem besten Weg, der Magie der Worte zu erliegen. Einfach bestechend beispielsweise die minutiöse Beobachtung des Gesichtes der Mutter oder der wahnwitzige Traum des im Ei gefangenen Erzählers. (...) Hinter der realen Handlung in und der beobachtenden Beschreibung von Remas Haus ist der Roman eine hochartifizielle Betrachtung über das Schreiben selbst (...). |
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